Großer Preis von Indien

Im Nachhinein war es ein Fehler, unserem Fahrer zu sagen: „Wow, you drive like Michael Schumacher!“

 

Denn er hat das natürlich als Kompliment aufgefasst, und als zusätzlichen Ansporn. 

 

Was wir aber eigentlich hatten sagen wollen, war genau das Gegenteil: „Sie fahren verdammt schnell, und uns ist gar nicht wohl dabei.“

 

Indien hat inzwischen ja ein eigenes Formel-1-Rennteam, und mit Karun Chandhok darf erstmals ein Inder ab und zu mitfahren in der höchsten Rennklasse der Welt. Vor einiger Zeit schon wurde in der Nähe von Delhi ein Formel-1-Grand Prix ausgetragen.

 

 

Das alles verschafft zwar der aufstrebenden indischen Nation Ruhm und Ehre. Den einheimischen Autofahrern tut das aber offenbar nicht gut. Sie werden übermütig.

 

Die Gegner sind nicht Ferrari und McLaren,

sondern Rikscha und Ochsenkarren

 

Unser Pilot am Steuer des „Tata Indigo“ scheint vergessen zu haben, dass seine Konkurrenten nicht Ferrari und McLaren heißen. Sondern „Hupende Motor-Rikscha mit wackeliger Hinterachse“ und „Hoffnungslos überladener Ochsenkarren mit Mann, drei Kindern und einer Jahresernte Baumwolle an Bord“.

 

 

 

Seine beiden schärfsten Widersacher sitzen aber direkt hinter ihm. Im eigenen Auto. Es sind die beiden Journalisten aus Europa, die am liebsten aussteigen würden, weil ein waghalsiges Überholmanöver das nächste jagt.

 

Interessiert analysieren sie die Renntaktik. Erst hupen, dann Gas geben. Oder, wenn es die Situation erfordert: Gas geben, und erst danach hupen.

 

Da ist es so weit: Es kracht

 

Es ist der Moment, an dem man eigentlich den dominanten Kolonialherren spielen müsste. Mit schneidiger Stimme müsste man den Eingeborenen dazu anhalten, sofort das Auto anzuhalten. Sicherheit geht vor Höflichkeit.

 

Aber man will ja anständig bleiben und ist deshalb lieber still. Kauert tief drin in seinem Sitz. Vertraut darauf, dass alles gut geht, wie an allen Tagen bisher.

 

Solange, bis es kracht. Die Brücke war einfach zu schmal. Schon der tote Hund eine Kurve zuvor hätte unseren Fahrer warnen müssen. Am rostigen LKW kam der Tata nicht vorbei. Bremsen quietschen – ach, es  gibt eine Bremse? – der Lastwagen streift das Hinterteil des Autos und verpasst uns eine tiefe Beule.

 

 Bilanz des nun folgenden Boxen-Stopps: ein heftiges Wortgefecht auf offener Straße, ein leichter Blechschaden am Auto, ein paar Kratzer am LKW. Zwei kreidebleiche Europäer, noch weißer als sonst. Ein blaues Auge im Gesicht des LKW-Fahrers. Verursacht von der Faust unseres Unfallpiloten.

 

 

Ein Bündel Rupienscheine wechselt den Besitzer. Dann geht die Fahrt weiter -  unfallfrei, bis ans Ziel. Champagner für den Sieger. Hohn und Spott für den Verlierer. Und erstmal ein tiefes Durchatmen bei all den schreckhaften Beifahrern.

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