MANILA: Nähe und Distanz

Aus einem Slum zu berichten, muss schockierend sein? Ist es nicht. Denn zunächst geht es auch „nur“ um die Arbeit. Die Eindrücke verarbeitet man erst hinterher.

 

Und dann bricht plötzlich dieses Gewitter los. Regen prasselt nieder, das eben noch so wuselige Treiben kommt zum Erliegen. Jeder sucht sich ein trockenes Plätzchen. „Hierher,“ ruft einer unserer Begleiter, „ihr könnt euch in meinem Haus unterstellen.“

 

 

Ohne einheimische Begleitung wäre der Trip durch eines der großen Armenviertel von Manila kaum möglich. Denn so chaotisch diese Siedlung dem westeuropäischen Auge erscheint – das Leben folgt dennoch gewissen Regeln.

 

Wie leicht würde man sich im Labyrinth aus Wellblechbuden und Bretterverschlägen verirren. Und nicht immer sind Eindringlinge erwünscht, trotz der sonst großen Gastfreundschaft.

 

Dieses Haus wirkt nun irgendwie anders. Nicht aus dünnem Holz oder rostigem Blech, wie bei den Nachbarn, bestehen die Wände. Vier robuste Eisenträger ragen senkrecht nach oben und begrenzen den quadratischen Wohnraum. Eiserne Querstreben bilden daraus ein solides Gerüst.

 

Ich blicke nach oben – Regen tropft mir ins Auge. Ich will später herausfinden, was es mit diesem Haus auf sich hat.

 

  

 

Bald einen ganzen Tag sind wir unterwegs. Schier endlos scheinen sich manche Slums in der philippinischen Hauptstadt zu erstrecken. Die Not ist mit Händen zu greifen.

 

 

 

Aber eigenartig – so sehr rührt sie einen zunächst gar nicht an. In Wahrheit dominiert ein eher ungläubiges Staunen. Es ist der Blick des Beobachters, gefiltert durch eine professionelle Brille, die jedes Ereignis daraufhin überprüft, ob es für den Bericht verwertbar ist.

 

Statt Mitleid läuft der Arbeitsmodus

 

Wen muss ich noch interviewen? Wessen Bild müssen wir noch bekommen?

 

Eine dicke Kakerlake klettert soeben das Eisengestänge hoch. Der Regen muss sie aus ihrem Versteck gespült haben. Dann hört der Schauer so plötzlich auf, wie er begonnen hat. Dampfend zieht die Regenluft ab, und wir verlassen unseren Unterschlupf.

 

Ein Haus unterm Hochspannungsmast

 

Kurzer Blick zurück – und erst jetzt wird klar, wo wir uns untergestellt hatten. Die Familie hat sich ihr „Haus“ einfach zwischen den mächtigen Eisenfüßen eines gewaltigen Hochspannungsmasten gebaut.

 

 

Unzählige Leitungskabel stecken an allen Seiten am Masten. Jeder zapft sich selber Strom ab – das privatisierte E-Werk der Stadt liefert nicht gerne an zahlungsschwache Slum-Bewohner.

 

Es ist wie immer: Blitzschnell verarbeitet das Journalistenhirn solche Beobachtungen.

 

Der erste Gedanke: „Das muss ich aufschreiben.“ Der zweite: „Davon müssen wir ein Foto machen.“

 

Und erst danach folgt das Gefühl: „Wahnsinn – dass die Menschen hier so leben müssen.“

 

 

Aber das wirkt dann noch ziemlich lange nach.

Kommentar schreiben

Kommentare: 2
  • #1

    Venetta Kist (Dienstag, 07 Februar 2017 06:58)


    First of all I would like to say awesome blog! I had a quick question that I'd like to ask if you do not mind. I was curious to know how you center yourself and clear your mind before writing. I have had a difficult time clearing my mind in getting my thoughts out there. I truly do enjoy writing but it just seems like the first 10 to 15 minutes are usually lost just trying to figure out how to begin. Any ideas or tips? Cheers!

  • #2

    Kasha Felch (Dienstag, 07 Februar 2017 13:29)


    This design is steller! You obviously know how to keep a reader entertained. Between your wit and your videos, I was almost moved to start my own blog (well, almost...HaHa!) Fantastic job. I really enjoyed what you had to say, and more than that, how you presented it. Too cool!