Warum ein Fotograf zum Bilderdieb wird - während der Reporter die Leute ablenkt.
Er ist der Herr über dieses Eingangstor, und er denkt gar nicht daran, jemanden hineinzulassen: der Wachmann in schwarzer Uniform und orange-farbener Leuchtweste, mit einem Funkgerät und – ist das etwa eine Pistole in seiner Tasche? – antwortet freundlich, aber bestimmt. Anweisung von ganz oben. Sie verstehen.
Man darf ihm nicht böse sein. Er tut ja auch nur seine Arbeit. Und die heißt nun mal: sicherstellen, dass nur derjenige dieses südafrikanische Flüchtlingslager betritt, der eine offizielle Erlaubnis dafür hat.
Klar, dass zwei windige Journalisten aus Deutschland, bewaffnet mit Fotokamera und Notizbock, eher nicht dazugehören.
Journalist? Du kommst hier nicht rein!
Da trifft es sich gut, dass wir uns in Südafrika befinden, einem Land mit stabiler Demokratie und starker Verfassung. Flüchtlinge und Saisonarbeiter aus Simbabwe kann man auch hier nicht einfach wegsperren. Ob denn die Leute nicht vielleicht kurz herauskommen dürfen, wenn wir schon nicht zu ihnen hinein können?
„Ich werde mal fragen,“ sagt der Wachoffizier, „und sehen, ob jemand von ihnen mit euch sprechen will.“
„Jemand“ ist leicht untertrieben. Es dauert nicht lange, da bevölkern an die 200 Menschen den kleinen Platz am Lagereingang. „Die ganze Welt soll erfahren, wie es uns hier geht“, ruft einer.
Sie erzählen, wie das Leben so spielt für Einwanderer im „gelobten Land“ Südafrika. Wie karg der Lohn ist. Wie ein paar einheimische Rassisten ihnen die Hütten angezündet haben. Und wie sie nun hier im Lager leben, in Zelten auf einem früheren Rugby-Feld.
Da fliegt der Kugelschreiber nur so über den Notizblock.
Aber dem diensthabenden Offizier wird nun doch ein wenig mulmig. Er droht damit, die Polizei zu holen, falls es hier noch einen größeren Auflauf geben wird.
Also gut, einverstanden. Wir machen Schluss. Informationen haben wir sowieso mehr als genug gesammelt. Jetzt wären noch ein paar Fotos von den Interviewpartnern recht. Aber Moment, wo steckt eigentlich der Kollege mit seiner Kamera?
Gerade rechtzeitig taucht er wieder auf. Offenbar hat er den Trubel am Tor für einen kleinen Spaziergang genutzt. „Ich war drin,“ flüstert er. Und das kann nur eins bedeuten: während alle auf den seltsamen Schreiberling geachtet haben, hat einer der Flüchtlinge dem Fotografen heimlich ein Loch im Lagerzaun gezeigt, durch das er hindurchschlüpfen konnte. Ein paar Minuten lang konnte er sich umsehen und Fotos machen.
In manchen Teilen Afrikas nennt man Fotografen auch „Bilderdiebe“. Weil sie Fotos produzieren und sie dann einfach so mit zurück nach Hause nehmen. Unerhört!
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